Bettina Gerber

Traum vom Leben

»Was es zu fühlen gibt, ich will es fühlen«

Es klingt verrückt, aber als ich Schülerin der 3. Klasse war, habe ich beschlossen, später selbst Kinderbücher zu schreiben und Dichterin zu sein. Der Zauber von Gedichten wob sich bereits sehr früh in mein Bewusstsein. Die komprimierte kurze Form, ob in Reimen oder Prosa, zog mich magisch an. Mit 15 Jahren entdeckte ich Goethes Sprachwelten für mich, lernte Gedichte auswendig, bewunderte die Stimmungen, die er erzeugen konnte. Die Natur-Bilder. Klar, eindringlich, doch unlösbar verbunden mit Emotionen. Sehr einprägsam. In Form gegossene Perfektion. Als ich in der 11. Klasse sein berühmtes Gartenhaus in Weimar zum ersten Mal besuchte, fühlte ich mich dort wie zu Hause. Wanderte immer wieder durch die fremdvertrauten Räume.

Weitere Lieben der Literatur folgten, führten mich letztlich zu meinem Studium der Literatur- und Musikwissenschaften. Über kleine Umwege, die sich letztlich als wichtige Schritte erwiesen.

In einer schweren Krankheitsphase meines Lebens war die Lyrik einer meiner Rettungsanker. Denn ich war mehrere Monate nur in der Lage, kurze Texte zu lesen. Diese kleine kostbare Form wurde mein täglicher Trost für eine Weile. Noch heute bin ich den vielen Dichtern dankbar für ihre sowohl beredte als auch stille Art der Begleitung. Diese besondere und intime Nähe zur Lyrik war ein entscheidender Wegweiser für die kommenden Jahre - was ich gerade erst in diesem Moment, während ich schreibe, begreife. Eine gute Erkenntnis!